Erik Hartmann blickt im Interview zurück auf den Aufstieg des VfB vor 20 Jahren(Volksstimme)

Für den 10. Mai hatte man bei Germania Halberstadt ein „Spiel der Legenden“ geplant.

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Halberstadt l Anlass: Vor 20 Jahren wurde unter dem Trainerduo Frank Lieberam und Frank Lindemann der Halberstädter Fußball aus einem nahezu Dornröschenschlaf geweckt. Es gelang der große Wurf – nämlich die Meisterschaft in der Landesliga. Beim so sehr herbeigesehnten Aufstieg war Erik Hartmann einer der Protagonisten. Sportredakteur Florian Bortfeldt befragte den heutigen Präsidenten des VfB Germania zum damaligen Erfolg.

 

Volksstimme: Mit dem Aufstieg in die Verbandsliga begann eine lange Erfolgsserie des VfB Germania, seit inzwischen 20 Jahren gehört der VfB zum festen Kern der besten Clubs in Sachsen Anhalt. Wie sind Ihre Erinnerungen an diese Saison?

 

Erik Hartmann: Unser damaliger Präsident Dr. Bartel und weitere Halberstädter hatten die Vision, den Halberstädter Fußball zu beleben. Hierfür benötigte er Personen an der Spitze, welche Siegermentalität hatten und den Fußball planmäßig aufbauen und weiterentwickeln können.

Den Kontakt zum ehemaligen DDR-Meister und -Nationalspieler stellte also „Doc Bartel“ her?

 

Ja, das war unser heutiger Ehrenpräsident Dr. Wolfgang Bartel. Er lockte Frank Lieberam zum VfB. Lieberam kannte als Halberstädter die Region und wusste, wie Fußball auch außerhalb des Platzes funktioniert.

 

Warum war das Team stärker als die anderen in dieser Liga? Was zeichnete es aus?

 

Für die Landesliga, mit Aufstieg in die Verbandsliga, hatten wir sicher ein gutes Team. Entscheidend war aber, dass Frank Lieberam und Frank Lindemann uns eine gewisse Siegermentalität eingeimpft haben. Hierzu gehören, der Glaube an die eigene Stärke und der unbedingte Wille zu Siegen.

 

Wer waren die Favoriten auf den Aufstieg vor Saisonbeginn? Gehörte Germania dazu? Welche Ziele hatte das Team selbst ausgegeben?

 

Halberstadt war sicher einer der Favoriten, jedenfalls hatten wir von Anfang an das Ziel des Aufstiegs vor Augen.

 

Der Weg nach oben ist eng verbunden mit dem Namen Frank Lieberam. Abgesehen von der eingeimpften Siegermentalität, welchen Anteil hatte der Trainer außerdem am Erfolg?

 

Zum Aufstieg eines Vereins gehören sicher auch eine Mannschaft und gute Trainer. Frank Lieberam hat es aber verstanden, parallel das Umfeld des Vereins so zu gestalten, dass höherklassiger Fußball überhaupt möglich wurde.

 

Nach der Gründung eines Fördervereins, der sich später dem Nachwuchs verpflichtet fühlte, wurde schon damals die Ausgliederung der ersten Herrenmannschaft in eine Spielbetriebs GmbH vorgenommen. Alles Schritte mit Weitblick, um die uns heute vielleicht noch manch Bundesligist beneidet. Aber auch das Umfeld wie Fankultur und Sponsorenansprache begannen sich zu entwickeln, stellenweise wurden hier Erfahrungen aus anderen Vereinen eingebracht. Ingo Malkowsky sei hier beispielhaft genannt, der sich stark engagierte.

 

Welche Partien sind besonders in Erinnerung geblieben, auch weil sie womöglich ein Meilenstein in Sachen Meisterschaft waren?

 

Es ist schwer, Meilensteine in einzelnen Spielen zu beziffern. Entscheidender ist vielmehr die Schaffung eines Umfeldes. Das heißt, für den Erfolg eines Vereines muss ein Fundament geschaffen werden. Nur so ist langfristiger Erfolg möglich.

 

Wie würden Sie Ihre Rolle im Team des VfB von damals beschreiben?

 

Ich kam damals mit einer Kreuzbandverletzung nach Halberstadt zurück und konnte erst später in das Fußballgeschehen eingreifen. Ich habe zwar dann etliche Tore auch in der Aufstiegssaison geschossen, war aber sicher nur ein kleines Rädchen des gesamten Erfolges.

 

Fans und Germania Halberstadt, das ist heutzutage ein komplexes, vielleicht auch schwieriges Thema. Wie war damals die Unterstützung von den Rängen?

 

Ich möchte nicht sagen, dass dies ein schwieriges Thema ist, weil dass diejenigen in den Schatten stellen würde, die auch heute regelmäßig Fußball im Stadion gucken, wenn wir dann spielen dürfen.

 

Sicher hatten wir damals in der Verbandsliga einen deutlich höheren Zuschauerschnitt, waren aber auch mannschaftlich regionaler geprägt. Dies wird je höher man spielt immer weniger – Regionalliga ist Leistungssport. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass sich das Freizeitverhalten deutlich geändert hat und wir da in einem Wettbewerb mit anderen Angeboten stehen.

 

Das Internet trägt auch seinen Teil dazu bei. Mitunter kann ich bis in untere Ligen Spiele „live“ verfolgen, ohne ins Stadion gehen zu müssen. An unseren Zugriffzahlen zum Beispiel auf Facebook sehen wir aber auch, dass ein großes Interesse aus der gesamten Harzregion besteht. Kurz nach Spielschluss könntest du überall rumfragen, man weiß wie wir gespielt haben und „Sport im Osten“ im Fernsehen berichtet auch noch.

 

Wir müssen versuchen, einen Spieltag mehr als familienfreundliches Event darzustellen. Das fängt bei den Angeboten für die Zuschauer an und hört bei der Bewirtung der Zuschauer auf. Das Rundumpaket muss passen, dann werden auch wieder mehr Zuschauer im Friedensstadion den guten Fußball ansehen. Da bin ich mir sicher.

 

Der Weg damals ging noch weiter in Richtung Oberliga. Was war das Erfolgsrezept?

 

Der von Frank Lieberam eingeschlagene Weg ist konsequent umgesetzt und fortgeführt wurden. Sportlich kann ein Aufstieg nicht geplant werden, aber man kann planmäßig ein Fundament schaffen, um die Voraussetzungen des sportlichen Aufstiegs zu schaffen. Dies wurde dann auch durch den Präsidenten Olaf Herbst hervorragend fortgeführt.

 

Bedanken müssen wir uns ausdrücklich hier auch bei der Stadt Halberstadt und Ihren Unternehmen, welche auch die nötige Infrastruktur geschaffen haben und stets ein verlässlicher Partner sind. Hinzukommt, dass sich viele Firmen, aber auch Privatleute in den 2000er Jahren stark engagiert haben. Man benötigt immer Vorreiter, manchmal sogar „Verrückte“.

 

Heute ist der VfB viertklassig. Der Grundstein dafür wurde vor 20 Jahren mit der Landesliga-Meisterschaft gelegt. Wie wichtig ist es, dass Halberstadt weiterhin Regionalliga spielt?

 

Von der Spielklasse her sind wir die dritte Kraft in Sachsen–Anhalt. Das bedeutet, dass aus dem Harzkreis eine der führenden Fußballmannschaften des Landes kommt. Meines Erachtens ist der Regionalligafußball in Halberstadt für die Stadt und die Region Harz enorm wichtig. Wir tragen den Namen der Stadt und die Region des Harzkreises in die „Welt“ hinaus. Das Spielgebiet des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) ist für Halberstadt und den Harz wichtig. Wir werden als „Halberstädter Würstchen“ betitelt, in den Zeitungen in Sachsen steht „Wernesgrüner gegen Hasseröder“ und Stadionsprecher begrüßen uns als Mannschaft aus der Domstadt. Dies dürfte bei jährlich über 500 Sendeminuten im MDR und regelmäßiger Präsens in den neuen Medien Werbung für Halberstadt und die Region Harz sein, die monetär nicht unerheblich ist.

 

Man darf auch nicht vergessen, dass diese Entwicklung über 20 Jahre gedauert hat, ich glaube nicht, dass aktuell die Region, egal welcher Verein, nochmal in der Lage wäre, dies zu schaffen. Da die gleichzeitige Entwicklung von Infrastruktur und sportlichen Erfolg sich bedingen.